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Frauenmahl

Rita Süssmuth: „Lasst uns aufstehen als Frauen - es ist nicht die Zeit, abzuwarten“

Frauenmahl 2023

Die Gastrednerinnen des EKHN-Frauenmahls 2023 breicherten das Thema „Den Wandel gestalten“ mit konkreten Erfahrungen aus der Praxis - zu ihnen gehörte auch die ehemalige Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth

Während des Frauenmahls der EKHN ermutigte die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth die Frauen, zusammenzustehen. Weitere Frauen in Führungspositionen äußerten sich zum Thema "Wandel gestalten".

Die Umsetzung von Frauenrechten ist in den letzten Jahrzehnten ein großes Stück weitergekommen. „Aber Vorsicht. Die erworbenen Rechte sollen nicht wieder zunichtegemacht werden, hier müssen Frauen aufpassen. Stehen Sie auf, es ist heute nicht die Zeit abzuwarten“, appellierte Prof. Dr. Rita Süssmuth, die ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages und Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Anlass ihrer Aussage war das Frauenmahl in Frankfurt am Main zum Thema „Den Wandel gestalten“ am 9. Mai 2023 in der Frankfurter Heiliggeistkirche. Geladen waren Frauen in Führungspositionen aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Sport, Kultur, sozialen Organisationen und Kirche. Dabei knüpft das Frauenmahl als Veranstaltungsform an die reformatorischen Traditionen der Tischgesprä­che an, um in angenehmer Atmosphäre Themen der Zeit in den Blick zu nehmen. „In der heutigen Zeit erleben wir heftige Umbrüche. Wie stoßen heute Frauen Veränderungen an? Wie gehen sie mit Veränderungen von außen um?“ Mit diesen Worten zielte Ulrike Scherf auf den inhaltlichen Kern der Veranstaltung. Sie ist die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN und hatte zum Frauenmahl eingeladen. Über die konkreten Erfahrungen und ermutigenden Impulse der Gastrednerinnen tauschten sich die Teilnehmerinnen an den Tischen beim gemeinsamen Essen aus.

Rita Süssmuth appelliert an Frauen, sich zusammenzuschließen

„Wir erleben heute eine Zeit tiefen Umschwungs, eine Revolution. Wir drehen die Dinge um und wissen nicht, was herauskommt“, stellte die ehemalige Familienministerin Rita Süssmuth (CDU) fest. In ihrem Gastvortrag warnte sie: „Bestimmte Rollenbilder möchte man wieder verfestigen angesichts des demographischen Wandels.“ So leisteten aber Frauen nach wie vor den Hauptanteil der Sorgearbeit, seien von prekären Arbeitszeiten betroffen und erhielten zum Teil weiterhin eine geringe Rente. Deshalb appellierte Rita Süssmuth: „Schließen wir uns zusammen. Lasst eine Frau nicht allein, wenn sie in Bedrängnis ist.“ Wenn eine Frau beispielsweise in der Berufswelt mit Schwierigkeiten konfrontiert sei, solle eine Gruppe sie zum Chef begleiten. Rita Süssmuth betonte: „Gemeinsam sind wir viel stärker, bauen wir auf unsere Kräfte.“

„Raus aus dem Meckermodus und Teil der Lösung werden“

Eine Frau, die angesichts aktueller Herausforderungen aufsteht, ist Simone Rechel, die Stellvertretende Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland 2023. Ihre Erfahrungen mit dem Homeschooling während der Corona-Pandemie hatten sie auf Defizite bei der Digitalisierung an der Schule ihrer Kinder aufmerksam gemacht. „Ich war wütend und habe das auch geäußert. Aber mir wurde klar: So kommt man nicht weiter“, berichtete sie. Zudem stellte sie fest, dass auch in ihrem Umfeld die Stimmung zunehmend gereizter wurde. Das brachte sie zum Umdenken. Die Betriebswirtin betonte das Miteinander statt ein Gegeneinander. Sie wollte den Impuls geben: „Raus aus dem Meckermodus und Teil der Lösung werden.“  Diese Idee verwirklichte sie als Landesvorsitzende 2022 der Wirtschaftsjunioren mit der Challenge #PerspektivwechselHessen. Die Mitglieder sollten sich einen Tag lang in die Lage eines anderen Menschen versetzen und den Austausch suchen. Das praktizierte sie auch selbst rund um das Thema Digitalisierung an Schulen: Sie wollte mit dem Schulleiter, der Landesschülervertretung, dem Kultusministerium und vielen anderen sprechen. Simone Rechel verrät ihr Vorgehen: „Ich bin nicht mit harten Forderungen in die Gespräche gegangen, sondern wollte es auch verstehen. Und jedes Gespräch hat mir eine weitere Tür geöffnet – auch die zum Kultusministerium.“ Über 50 hessische Wirtschaftsjunioren hätten sich am Perspektivwechsel beteiligt und dabei neue Energie und neue Erkenntnisse gewonnen. Simone Rechel betont: „Ein Perspektivwechsel ist mehr als ein Motto. Es ist eine Haltung der Offenheit, die der Gesellschaft gut steht. Für uns ist es eine Haltung, die bleibt.“

Feminismus in der Außenpolitik berücksichtigen

Auch Kristina Lunz hat den Kontakt zur Politik aufgenommen. Ihr Anliegen ist es, dem Machtmissbrauch in unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft entgegenzutreten. Es hatte sie unter anderem bestürzt, dass sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen in Kriegen erst im Jahr 2008 durch eine UN-Resolution als Verbrechen gegen die Menschlichkeit benannt wurde. Andere Vergehen hingegen wurden bereits 1945 völkervertraglich geächtet. Kristina Lunz sieht in der Außenpolitik Möglichkeiten, patriarchalen, gewaltvollen Strukturen etwas entgegen zu setzen. Sie ist Mitbegründerin und Co-Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy (Zentrum für feministische Außenpolitik) in Berlin. Laut Kristina Lunz habe die Forschung gezeigt, dass einseitige Militarisierung weder Frieden und noch Sicherheit nachhaltig gewähren könne. Sie hatte auch das Bundesaußenministerium unter Annalena Baerbock beraten – mit Erfolg: Im Frühjahr 2023 verabschiedete die Bundesregierung Grundsätze für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik. „Elf Staaten bekennen sich zu einer feministischen Außenpolitik, seit diesem Jahr ist auch Deutschland dabei“, so Kristina Lunz.

Starke Begegnungen ermöglichen Veränderungen

Virginia Wangare Greiner hat ebenso den Eindruck, dass sich in der Außenpolitik noch einiges ändern sollte. Die Geschäftsführerin von Maisha e.V., Frankfurt, Verein für afrikanische Migrantinnen in Deutschland bemerkte: „Oft werden Männerdelegationen nach Afrika geschickt. Warum keine Delegationen mit Frauen? Afrika wird von Frauen getragen.“ Nachdem Virginia Wangare Greiner 1986 von Afrika nach Frankfurt mit ihrer Familie gezogen ist, sei sie mit vielen Herausforderungen konfrontiert gewesen. Ihr eigenes Engagement und unterstützende Begegnungen hätten ihr geholfen sie zu meistern: „Ich bin dankbar, dass ich Leute getroffen habe, die mir Mut gemacht haben.“ Seit 2004 leitet sie die Gesundheitsberatungsstelle für afrikanische Frauen in Frankfurt. Wie zentral gute Begegnungen mit Menschen sind, zeigt sie auch im Privaten. Anfangs habe sie erlebt, dass es nicht üblich sei, einfach so die deutschen Verwandten ihres Mannes zu besuchen. „Ich wollte aber die Identität meiner Kinder über die Verwandtschaft stärken. Heute gibt es jedes Jahr ein Familientreffen, zu dem alle gerne kommen“, freut sie sich. Seit Jahrzehnten hilft Virginia Wangare Greiner anderen Menschen in ihrem Beruf und in zahlreichen Ehrenämtern. Sie wurde mit dem Bundesverdienstkreuz im Bande ausgezeichnet. Heute motiviert sie die Frauen, am Ball zu bleiben: „Unsere Rechte haben wir nicht geschenkt bekommen, sondern wir haben sie erkämpft. Wenn wir uns nicht beteiligen, werden andere für uns gestalten. Deshalb müssen wir heute als Frauen weiter aktiv für unsere Rechte eintreten.“

Als weibliches Führungsduo im Theater eine Männerdomäne aufmischen

„Das Theater hat die Aufgabe, etwas in Bewegung zu setzen, sich selbst und auch andere in Bewegung zu setzen“, so Eva Lange, eine der beiden Intendantinnen des Hessischen Landestheaters Marburg. Seit 2018 leitet sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Carola Unser-Leichtweiß das Haus. Ein Novum, denn seit 1945 gab es dort ausschließlich männliche Intendanten und auch keine Doppelspitze. Das neue Führungsmodell stellte sich als Erfolgsmodell heraus: „Unsere Verträge sind gerade für fünf weitere Jahre verlängert worden. Und wir beobachten, dass inzwischen unterschiedliche Führungsmodelle in der Theaterlandschaft umgesetzt werden“, freut sich die Intendantin.

Mit Hoffnungssturheit und Glaubensheiterkeit künftige Aufgaben gestalten

Prof. Dr. Heike Springhart, Bischöfin der Evangelischen Kirche in Baden, gab den Teilnehmerinnen des Frauenmahls noch einen Rat mit auf den Weg: „Wer etwas verändern möchte, braucht Hoffnungssturheit und Glaubensheiterkeit“. Dabei sei wichtig, sich zu vergewissern, was trägt. So vertraut die Bischöfin darauf: „Die Zukunft schafft Gott. Aber unsere Aufgabe ist es, sie zu gestalten.“ Doch selbst wenn Transformationsprozesse gut strukturiert seien, bleibe immer noch etwas offen. Denn die Verheißungskraft der Kirche sei, dass noch etwas offen bleibe. Dadurch sei der Wandel in der Kirche der Normalfall. Dabei vermittelt Heike Springhart: „Kirche ist dann glaubwürdig und stark, wenn sie aus theologischer Sicht die Komplexitäten des Lebens realistisch und klar benennt.“

Geschichte der Frauenbewegung der EKHN


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